Ralf Konersmann ist als Herausgeber der „Zeitschrift für Kulturphilosophie“, als Leiter des Philosophischen Seminars der Carl-Albrecht-Universität zu Kiel und Gründungsmitglied der Hamburger Akademie der Wissenschaften, eine Koryphäe des gegenwärtigen Wissenschaftsbetriebs. Er kann als exponierter Vertreter der Kulturphilosophie in Deutschland angesehen werden. In den letzten Jahren hat sich Konersmann publizistisch einen Namen als umtriebiger Popularisierer der Kulturphilosophie gemacht. Sein Beitrag innerhalb der verdienten Junius-Reihe „Zur Einführung“ zu eben diesem Themengebiet liegt nun vor.
Konersmann legt den Fokus seiner Darstellung auf die Arbeiten der deutschen Philosophen Georg Simmel (1858-1918) und Ernst Cassirer (1874-1945). Den nachgelassenen Manuskripten Cassirers selbst ist der Hinweis zu entnehmen, die Arbeit Simmels habe den so genannten cultural turn, die programmatische Hinwendung zur Kultur in der Philosophie des 20. Jahrhunderts vollzogen. Ausgehend von den Analysen dieser beiden Denker nimmt Ralf Konersmann die Philosophie des Kulturellen in den Blick und stellt die historischen Zusammenhänge und Traditionslinien dar.
Konersmann arbeitet präzise das Eigentümliche der Kulturphilosophie heraus, welches wesentlich in einer spezifischen Gegenstandsperspektive besteht. Konersmann verwendet im Anschluss an Cassirers Brücken-Metaphorik den Begriff der Bedeutsamkeit, um die kulturelle Perspektive des Philosophierens zu verdeutlichen: Der neue Gegenstand des Philosophierens wird zum Kulturellen in dem Moment, in dem er als eine eigenständige, mittelbare und vermittelnde Bedeutungsgröße gesehen wird, die sich dem spekulativen Zugriff des menschlichen Geistes nie vollständig ergibt.
Cassirers „Philosophie der symbolischen Formen“ liefert den Schlüssel zum Verständnis der Kulturphilosophie. Im Mittelpunkt steht die Betrachtungsweise: Die Welt ist von Menschen gemacht und humanisiert. Als historischer Prozess wird die Kultur zum Selbstverständigungsmodus des menschlichen Geistes, der sich in ihren Werken erkennt und an ihnen stets aktualisiert. Folgerichtig muss Kulturphilosophie auf spekulative, metaphysische oder methodistische Verabsolutierungen verzichten und kann sich nicht in einer historistischen Hermeneutik erschöpfen. Vielmehr geht es bei der Kulturphilosophie um eine kritische Phänomenologie des menschlichen Geistes.
Plausibel arbeitet Ralf Konersmann den historischen Wandel des Kulturbegriffs heraus. Das krisenhafte Moment der Moderne führt zu einem kulturellen Perspektivwechsel in der Philosophie, dies wird in spannender Lektüre aufbereitet. Die Darstellung ist klar verständlich und aufschlussreich. Fachtermini werden einer Einführung angemessen behutsam eingeführt und kontextuell erklärt. Der Argumentationsgang bleibt stets präsent, dies liegt unter anderem an der Fokussierung auf das systematische Verständnis des Gegenstandes. Hilfreiche und ausführliche Fußnoten erweitern die jeweiligen Bezüge.
Die einzige Schwäche des Bandes ist, dass er nur auf die wesentliche Denkrichtung ausgerichtet ist. Knapp 40 Seiten sind der Geschichte der Entwicklung der Kulturphilosophie von Giambattista Vico im 17. Jahrhundert, über den kritischen Idealismus Friedrich Schillers im 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart eingeräumt. Vieles bleibt dabei zweckgemäß knapp. So werden wesentliche Denker des Kulturellen wie Friedrich Nietzsche, Jean-Paul Sartre oder die französischen Strukturalisten allenfalls gestreift.
Dies ist jedoch ein lässlicher Mangel. Aus der modernen Konzeption des fait culturel, des Gegenstandes als Kulturellem, leitet Ralf Konersmann allerhand interessante und Erkenntnis fördernde Betrachtungen ab, die die Dimensionen künstlerischer Ästhetik, lebensphilosophischer Kontingenz und politischer Philosophie umspannen. Ralf Konersmanns „Kulturphilosophie zur Einführung“ kann uneingeschränkt empfohlen werden. Der Band schafft die Motivation, sich aus dem Geiste der Betrachtung, manchem in dieser Darstellung zu kurz gekommenem Werk neu zu nähern.
Literaturangabe:
KONERSMANN, RALF: Kulturphilosophie zur Einführung. Junius Verlag, Hamburg 2010. 192 S., 13,90 €.