Im vergangenen Jahr feierte Ennio Morricone fünfundachtzigsten Geburtstag, 2014 jährt sich zum fünfzigsten Mal das internationale Debüt des Komponisten und Dirigenten in dem Genre, in dem er Weltruhm erlangte: Filmmusik wurde das Leben des diplomierten Trompeters und Komponisten aus dem römischen Rione Trastevere. Nachdem sich Morricone in den 1950er Jahren einen Namen als Komponist von Kammermusik- und Orchesterwerken in der italienischen Avantgarde gemacht hatte, wechselte er als Arrangeur zur öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt Radiotelevisione Italiana und wurde dort bald Band- und Orchesterleiter.
1961 komponierte Morricone, der auch unter den Pseudonymen Dan Savio und Leo Nichols arbeitete, seine erste Filmmusik für Luciano Salces Drama Zwei in einem Stiefel (Orig. Il Federale). Drei Jahre später begann die Zusammenarbeit mit dem legendären Italo-Western-Regisseur Sergio Leone. Diese Verbindung erwies sich für beide Künstler als großer Glücksfall: Die Filmmusik Morricones verlieh dem innovativen Zynismus der epischen Western Leones theatralische Weihen, die dessen Filme unvergesslich machten. Morricone selbst erlebte 1964 mit der Komposition des Soundtracks zu Für eine Handvoll Dollar (Orig. A Fistful of Dollars) den internationalen Durchbruch.
Das mit Leones Low-Budget-Produktionen etablierte Genre des Italo-Western ist von Morricones atmosphärischen Klangräumen kaum zu trennen. Für ein paar Dollar mehr und Zwei glorreiche Halunken waren zwei weitere Meilensteine des Schaffens Morricones. 1968 komponierte er mit der Filmmusik zu Spiel mir das Lied vom Tod ein Meisterwerk des Genres, das der cineastischen Vollendung des Italo-Westerns kongenial war. In Morricones akustische Gemälde fließen Inspirationen aus Klassik, Jazz, Pop, Rock, elektronischer und italienischer Musik ein.
Vom Spaghetti-Western zur Pferdeoper
Was Morricones Schaffen auszeichnet, war der Mut innovative und unkonventionelle Wege einzuschlagen. In dieser künstlerischen Tugend sah er sich mit Sergio Leone verbunden. Verzichtete jener als Regisseur auf die idealisierende und moralische Figurenzeichnung des betulichen US-Western und setzte in Fragen der Einstellung und des Tempos neue Maßstäbe, so revolutionierte dieser die Filmmusik: Morricone nahm Abschied von den traditionellen symphonischen Kompositionen und schuf Werke von tragischer Schönheit, innerhalb dessen der Imagination großer Raum gelassen wurde. Aus der Begleitmusik zum Film wurden unter seiner künstlerischen Leitung Sound-Epen, in deren opernhafter Dramaturgie und schwelgerischer Weite das Medium Film bewusst reflektiert wurde. Erst Morricones Musik machte aus dem Spaghetti-Western die Pferdeoper. In Puncto Besetzung und Instrumentierung schlug er neue Wege ein, setzte auf Maultrommeln und verstimmte Mundharmonikas und illustrierte die Western-Welt durch Soundeffekte wie Eulenrufe oder Kojotengeheul.
Machte die Western-Filmmusik zahlenmäßig nur einen geringen Anteil am Lebenswerk des Künstlers aus, so ist das Genre doch untrennbar mit seinem Namen verbunden. Insgesamt komponierte Morricone über 500 Filmmusiken, großteils spielte er diese mit der Roma Sinfonietta ein. Mit seinem Stammorchester ist der große Mann der Filmmusik bei drei Gastspielen in Deutschland als Dirigent zu sehen, ein seltenes Erlebnis. Im Februar gastiert Ennio Morricone in Berlin, im April in Köln und München.
Unzählige Preise wurden dem Italiener im Laufe seiner langen Karriere verliehen. 2007 erhielt der Altmeister mit seinem fünften Oscar die Auszeichnung für das Lebenswerk. Eben diesem nähert sich die Deutsche Grammophon mit der zwei CD’s umfassenden Edition The Essential Ennio Moricone, die am 7. Februar erscheint. Sie gewährt in mehr als zweieinhalb stimmungsvollen Stunden Einblick in den atmosphärischen Kosmos des genialen Filmkomponisten.
Annotation: The Essential Ennio Morricone (Doppel-CD), Deutsche Grammophon (Universal), erscheint am 7. Februar 2014.
Infos: www.universal-music.de/ennio-morricone/diskografie/detail/product:194639/the-essential-ennio-morricone