Mit seinen ersten beiden selbst veröffentlichten Alben hat sich der 25jährige Texaner Robert Ellis einige Vorschusslorbeeren verdient. Selbst der Guardian sieht in Ellis eine Hoffnung für den Country heranwachsen und scheut den schmeichelhaften Vergleich mit dem jung verstorbenen Gram Parsons nicht. Am 7. März 2014 erscheint Ellis’ drittes Album The Lights from the Chemical Plant in Deutschland. Aufgewachsen in einem Kaff in Texas ging der junge Singer-/Songwriter bald nach Houston und lebt inzwischen mit seiner Frau in Nashville. Man muss die Texte des neuen Albums nicht biographisch nennen, doch lässt Ellis Erfahrungen und Emotionen in die Songs einfließen, die mit Stationen seines Lebens verbunden scheinen.
Dass es der junge Mann und sein neues Label New West Records mit diesem Album ernst meinen, lässt sich an der Auswahl des musikalischen Teams erkennen. Für die Produktion zeichnet Jacquire King verantwortlich, mit dem bereits prominente Zeitgenossen wie Tom Waits oder Norah Jones gearbeitet haben, zusätzlich zu seiner Band konnten Gastmusiker wie Rob Crowell von Deer Tick, Skyler Wilson und Jimmy Lauderdale gewonnen werden.
Den Auftakt macht der TV Song, der den Hörer mit satter Stomp Box untergründig rhythmisch umgarnt. Darüber legt Ellis eine zweite, fließende Ebene mit verspieltem Gitarrensound und schafft mit seiner hohen, leicht nasalen Stimme eine schwebende und melancholische Stimmung. Es folgt der titelgebende Song Chemical Plant, der mit breiter Instrumentierung und dem Einsatz von Streichern die große Geste nicht scheut, aber sich doch nicht im Schmalz verliert und den Country zu einem flott-ätherischen Pop erweitert.
Das Verarbeiten verschiedener Einflussgrößen bleibt auch im weiteren Verlauf des Albums bestimmend. Good Intentions gerät zu einem netten kleinen sphärischen Stück mit vorwärtstreibendem Beat und leichter R&B-Note. Es folgt die Fusion-Nummer Steady as the rising Sun, eine orchestral instrumentierte Ballade, durch die sich Robert Ellis gemütlich und klar prononcierten Lyrics singt, während sich Steel und Jazz Guitar in harmonisch ausgewogenem Zusammenspiel ergehen. Bottle of Wine lässt sich als getragene Piano-und Saxophon-gestützte Ballade zwischen Folk und Soul hören.
Die Produktion überzeugt durch einen klaren und vollen Sound, die Instrumentierung schafft einen großen Bilderbogen, der ganz im Dienste des Gesangs von Robert Ellis steht. Doch kann ich nicht verhehlen, dass ich mich in der Mitte der Platte stets zu langweilen beginne. Daran ändert auch die Cover-Version von Paul Simons-Klassiker Still crazy after all these Years nichts, die derart glatt und sauber eingespielt wird, dass sie zu einer gestylt-eleganten und letztlich ambitionslosen Barmusik gerät. Das dieser überflüssigen Nummer folgende Stück Pride, versöhnt als Bossa Nova-inspirierter Jazzrock, der zwar mit seinen kantabilen Gitarrenpassagen etwas mehr will, als er zu leisten im Stande ist, doch insgesamt eine runde Sache darstellt. Bei Only Lies, einer behutsam hingetupften, leicht angejazzten Bluesnummer wird meines Erachtens deutlich, wo die Grenzen Robert Ellis’ liegen: Der junge Sänger ist stimmlich und von der Intonation nicht in der Lage, echte Tragik abzubilden. Insbesondere im Rahmen der recht aufwendigen und Pop-affinen Produktion wird deutlich, dass sich der junge Countrysänger doch allzu sehr in einer gediegenen Sentimentalität verliert.
Wesentlich besser steht Ellis das epische Houston zu Gesicht, welches den Anschein vermittelt, dass es ihm angesichts dieser Ode an die alte Heimat – ein sehr persönliches Stück – gelingt, wirklich aus sich heraus zu kommen und echte Emotionalität hörbar zu machen. Der Gesang von Ellis, dessen leicht entrückte und stets etwas feierliche Sentimentalität, wirkt in diesem Stück sehr gut aufgehoben und bietet einen Fingerzeig dafür, dass eventuell etwas weniger Ambition bei diesem ersten Album bei einem großen Label mehr gewesen wäre. Auch die frisch aus dem Fußgelenk stampfende Bluegrassnummer Sing Along weiß mit Dynamik und überdrehtem Gitarrenspiel zu gefallen, Ellis’ spielt sein Gefühl für Tempo und wohl temperierte Explosivität hier überaus überzeugend aus. Nach diesen zwei stärksten Stücken des Albums bildet der ruhige und recht bescheiden auftretende Tour Song einen versöhnlichen und gelungenen Abschluss des Albums.
The Lights from the Chemical Plant überzeugt als professionell produziertes und musikalisch sauber und abwechslungsreich eingespieltes Album vollauf. Aber: Die teilweise überambitioniert arrangierten Stücke tun dem jungen Sänger Robert Ellis nicht unbedingt einen Gefallen. Das gesangliche Repertoire des Texaners, das zwar in Sachen Dynamik und Präzision zu überzeugen weiß, ist letztendlich zu schmal, um sich in allen Satteln sicher und vor allem emotional überzeugend zu halten. Da die Platte bei allen, teils übermotiviert adaptierten, Stileinflüssen den Hörer in einer einzigen Harmonie umfangen möchte, kommt dabei kein avanciertes Countryalbum heraus, sondern gefühlsduseliger Pop. Das mag Freunde von James Blunt und Co. überzeugen, mich jedoch nicht. Mehr Bodenständigkeit und musikalischer Konservatismus hätten Robert Ellis besser zugestanden, was die besten Stücke des Albums zeigen.
Der Mann hat noch viel Zeit, sodass sich ich mich des Eindrucks nicht erwehren kann, dass nach den euphorischen Würdigungen seiner ersten beiden Folk- und Bluegrass-Alben hier merkantile Absichten über das Ziel hinausschießen ließen. Es sei denn, sentimentaler und folkig verkleideter Konsens-Pop war das Ziel der Reise. Optisch dürfte den meisten jungen Damen in jedem Fall die neue schicke Kurzhaarfrisur des Sängers zusagen. Dass diese Spekulation Grund für die Verabschiedung von der Hippie-Matte gewesen sein könnte, soll hier nicht behauptet werden, fügt sich aber in mein Gesamtbild. Schade drum, im Prinzip.