Bratislava weist für eine Hauptstadt eine ungewöhnliche geografische Lage auf: Die Kapitale der Slowakei ist im äußersten Westen des Landes gelegen, im Dreiländereck zwischen Österreich und Ungarn. Gerade 55 Kilometer Luftlinie trennen das ehemalige Preßburg von der Mitteleuropa-Metropole Wien.
An der Grenze zu Österreich erheben sich die Felszüge der Kleinen Karpaten, die in die Weißen Karpaten, die Fatra und schließlich in die Tatra übergehen. Von Ende Juni bis in den Oktober sind die touristischen Wanderpfade in den großen Naturparks zur Passage freigegeben. Gegenüber den deutschsprachigen Alpenländern steht die Slowakei als Reiseziel für Bergfreunde noch weitgehend im Schatten. Doch lassen sich insbesondere in der Fatra und der Tatra wunderbare Gebirgswanderungen unternehmen.
Die Schönheiten der slowakischen Gebirgszüge haben sich inzwischen zu den internationalen Hotelketten rumgesprochen, die besonders in den Wintersportlagen der Hohen Tatra kräftig in den Aufbau von Spa-Hotels und Luxusferienwohnungen investieren. Noch lassen sich die Nationalparks jedoch weitgehend unbehelligt vom touristischen Massenansturm erkunden.
Auf den teils sehr anspruchsvollen Wanderrouten ist festes Schuhwerk, sowie eine gewisse sportliche Grundkonstitution erforderlich. Die Mühen der Wanderung auf den zwar gut ausgewiesenen, jedoch nicht immer ausreichend befestigten Routen werden durch herrliche Gebirgspanoramen und – trotz der nach wie vor nicht übersehbaren Flurschäden durch den Orkan von 2004 – die stimmungsvolle Tiefe der Wälder vergolten.
Ein Name als Versprechen – Slowakisches Paradies
Idealer Ausgangspunkt für Wanderungen in die Fatra und Tatra bildet die Kleinstadt Poprad, benannt nach dem Fluss, der in der Tiefebene die Niedere und Hohe Tatra trennt, und die nächst dem Nationalpark Slowakisches Paradies gelegen ist. Dank dieser touristisch wertvollen Lage erfreut sich Poprad eines internationalen Flughafens und bietet Unterkünfte in allen Preiskategorien. Besonders die nachhaltig betriebene AquaCity, ausgezeichnet als umweltfreundlichstes Urlaubsressort der Welt, mit Hotels und diversen Freizeitmöglichkeiten sticht als Vorzeigeprojekt der Stadt heraus, die sich bereits mehrfach erfolglos um eine Austragung der olympischen Winterspiele beworben hat.
Von Poprad aus gelangt man zu sehr günstigen Tarifen mit dem Bus an die ausgedehnten Wälder des Slowakischen Paradieses, das wie die Fatra Teil der Westkarpaten ist. Auf verschlungenen Pfaden durch Gebirgsschluchten und tiefe Wälder lassen sich sehr schöne und sportlich herausfordernde Wanderungen übernehmen. Das Gebiet ist geprägt von zahlreichen Wasserfällen, deren Stürze man teilweise an freistehenden Leitern erklettern kann. Schwindelfreiheit darf für manche Strecken als Voraussetzung gelten.
Als besonders sehenswertes Naturschauspiel ist die Dobschauer Eishöhle zu empfehlen. Auf knapp 1.000 Meter ü. dem Meeresspiegel im Naturpark Stratená gelegen und durch Sickerwasser der Döllnitz gespeist bietet das Welterbe eine Eisfläche von knapp 9.800 m² und weist ein Eisvolumen von über 110.000 m³ auf. In gewaltigen und bizarr anmutenden Stalagmiten und Stalagtiten formiert sich das Eis der Höhle zu einem überwältigenden skulpturalen Ensemble, welches durch natürliche Prozesse sein Angesicht von Jahr zu Jahr ändert. Im Großen Saal, in dem die Eisdecke aktuell 26,5 Meter beträgt, trainierte früher die tschechoslowakische Eishockeynationalmannschaft. Seit 1887 wurde die Höhle als eine der ersten Europas elektrisch beleuchtet. Auf der Wanderung durch das riesige und verwinkelte Gewölbe durchquert man einen Eisblock von 25 Metern Dicke, durch welchen eine Kapelle geschlagen wurde. Insgesamt weist die Höhle eine Länge von 1.483 Metern auf; die etwa 45-minütige Führung, die auch in deutscher Sprache angeboten wird, ist sehr zu empfehlen.
Von Poprad aus reist man gemütlich auf eigentlich sehr sehenswerter Strecke mit der Tatra-Bahn ins Hochgebirge. Einzig die weiten Breschen im Baumbestand, die sich auch zehn Jahre nach dem katastrophischen Orkan unwirklich und überwältigend ausnehmen, vermitteln für manche Bergrücken einen friedhofshaften Eindruck. Die Folgen der Naturgewalt für die Hohe Tatra sind komplex. Das Risiko von Lawinen hat sich ebenso wie die Gefahr von Waldbränden erhöht, doch wächst langsam mit dem neuen Mischwald eine im Vergleich zum vormaligen Fichtengehölz robustere Flora heran.
Zwischen Seen, Bären und Bergen
Station lässt sich in Tatranská Lomnica, Starý Smokovec oder in Štrbské Pleso machen. Auf einer Höhe von 1.346 Meter ü. NN gelegen ist Štrbské Pleso, benannt nach dem Tschirmer See, einer der höchstgelegenen Kurorte in Mitteleuropa, der auch als Wintersportzentrum mit hervorragender Infrastruktur zu überzeugen weiß. Die Bergluft ist hier sehr klar und rein, jedoch auch im Juni noch recht kühl. Im Jahresmittel sinkt die Temperatur je 100 Meter Höhenunterschied um 0,6 Grad Celsius.
Das gesamte slowakische Tatra-Gebiet wurde 1949 zum Nationalpark erklärt und beherbergt eine Vielzahl seltener Pflanzenarten und bietet auch großen alpinen Jägern wie dem Luchs, dem Wolf und dem Braunbären eine weitgehend ungestörte Heimstatt. Infolge der falsch verstandenen Tierliebe leichtsinniger Touristen, die an den Wanderwegen Futter auslegen, ist es in den letzten Jahren vermehrt zu Begegnungen von Bären und Menschen gekommen, jedoch weitgehend ohne schlimme Folgen. Bären sind in der Regel menschenscheu und wenig aggressiv.
Insgesamt finden sich in den Hochplateaus der Tatra über 200 Gletscherseen, die dramatisch von schroffen Granit- oder Kalksteinfelsen umstanden sind. Als bevorzugte Wanderziele dürfen der Poppersee gelten, an dem sich mit dem Symbolischen Friedhof der Toten des Gebirges eine verwunschen wirkende Gedenkstätte befindet, sowie der Steinbachsee, von dem aus man mit der Seilbahn auf die Lomnitzspitze, den mit 2.634 Metern zweithöchsten Tatra-Gipfel, gelangen kann. Von dort aus blickt man bei gutem Wetter über einen beträchtlichen Teil Mitteleuropas, bei schlechtem Wetter freilich steckt man mit der Nase in den Wolken.
Wanderer sollten sich in den Höhenlagen den Gefallen tun, die eigene Kondition richtig einzuschätzen. Auf den teils sehr felsigen Routen kann die Luft überraschend dünn werden. Ungeübten Kraxlern ist im Zweifelsfall der Aufstieg mit einer der vielen Seilbahnen zu empfehlen. Den Berg hinunter geht es bekanntlich zu Fuß merklich leichter.
Die Slowakei gilt unter Wanderern und Alpinisten, die Freude an weitgehend unberührter Natur jenseits der großen Touristenströme haben, als Geheimtipp.