Charles Darwin hat mit seinem 1859 veröffentlichten Werk „Origin of Species“, in Deutschland unter dem Titel „Die Entstehung der Arten“ erschienen, Wissenschaftsgeschichte geschrieben. Seine Evolutionstheorie veränderte den Blick auf die Entstehung und die kosmologisch verbürgte Ordnung von Flora und Fauna grundlegend. Unter den Erkenntnissen und Schlussfolgerungen des studierten Theologen Darwin wandelte sich die Schöpfungsgeschichte zu einem chaotischen und wechselvollen Szenario, in welchem Anpassung an sich ändernde Lebensbedingungen über das Überleben oder Aussterben von Organismen entscheidet und in welchem Wandel und fließende Übergänge unter den Arten das einzig Konstante scheint.
Der Mensch verlor in Darwins Evolutionstheorie seine zentrale Sonderstellung als Gotteskind. In der Geschichte des Übergangs vom anthropozentrischen Ordo-Weltbild zur neuzeitlich-naturwissenschaftlichen Sichtweise markiert der schon zu Lebzeiten des Verfassers nach ihm benannte Darwinismus einen Meilenstein, wie die Wissenschaftsrevolutionen durch Kopernikus und Isaac Newton, neben welchem Charles Darwin 1882 auch seine letzte Ruhestätte in der Londoner Westminster Abbey fand.
Im „Darwin-Jahr“ 2009 wird neben dem einhundertfünfzigsten Erscheinungsjahr der „Entstehung der Arten“ auch der zweihundertste Geburtstag des englischen Naturforschers begangen. Nicht nur in den zahlreichen Ausstellungen und Veröffentlichungen zu des Forschers Gedenken zeigen sich dessen Theorie und besonders deren Wirken äußerst lebendig. In gegenwärtigen kulturwissenschaftlichen und explizit sozialpolitischen Debatten erweist sich der Neo-Darwinismus oder auch Sozial-Darwinismus als gern strapazierter Widergänger. Der entfesselte Neo-Liberalismus, dem angesichts der weltweiten Finanzkrise nun Einhalt geboten werden soll, gilt als von darwinistischem Geist durchdrungen – Darwinismus wird als Gegenbild zu Solidarität und sozialer Gerechtigkeit entworfen.
Gerade in Zeiten kollektiver Existenzängste wird „Darwinismus“ zur Metapher für den Überlebenskampf unterschiedlicher Gesellschaftsschichten oder Kulturformationen gegeneinander stilisiert; im Wesentlichen sind die Argumentationsmuster auf denselben Reflex zurückzuführen, wie im Fall der sozialpolitischen Debatten des biologistischen Rassismus. Die Evolutionstheorie von Charles Darwin wird mal zynisch-agitatorisch, mal kritisch-konservativ für oder gegen allerhand Diskurse mobilisiert. Es bleibt die Frage, inwiefern die hergebrachten Denkmuster über den „Darwinismus“ ernst zu nehmende Schlussfolgerungen der darwinschen Evolutionstheorie darstellen oder es sich um das ungenaue Aufgreifen von Schlagworten und das Fortschreiben einer schwierigen Rezeptionsgeschichte handelt. Mit anderen Worten: Wie viel Darwin ist tatsächlich im „Darwinismus“?
Diesen Fragen hat sich FAZ-Redakteurin Julia Voss angenommen, die der Reihe „… zur Einführung“ des Hamburger Junius-Verlages den Band zu Charles Darwin hinzugefügt hat. Um einen Einblick in die Evolutionstheorie geben zu können, ist es erforderlich, Darwins Theorie im Wissenschaftsdiskurs seiner Zeit zu verorten. Julia Voss beschreibt hierzu detailliert und pointiert die Rezeptions- und Entstehungsgeschichte der Veröffentlichungen Charles Darwins und umreißt dabei präzise den zeitgenössischen Stand der Naturforschung. Ziel der Auseinandersetzung ist es, zu einer kulturwissenschaftlich fruchtbaren Einordnung des Werkes Charles Darwins zu gelangen. Daher werden die biografischen Elemente dieser Einführung stets auf das handlungsleitende Interesse bezogen. Nebenbei entwirft Julia Voss ein eindrückliches Panorama der Forschungslandschaft und -methoden im England des 19. Jahrhunderts, spannend und aufschlussreich zu lesen wie eine gut geschriebene Reportage.
Eingangs widmet sich Voss dem Darwinkult, der den Naturforscher schon zu Lebzeiten umgab. Neben Albert Einstein ist Charles Darwin der meistabgebildete Wissenschaftler in der Geschichte, sein Name und Werk sind untrennbar miteinander verknüpft. Nach der Veröffentlichung von „Origin of Species“ wurde sein Konterfei zur Ikone der Evolutionstheorie in den gebildeten Kreisen und der Presse. Darwin blickte von Zeitschriften, Büchern und aus Karikaturen in die Öffentlichkeit, schließlich zierte er bald die Zehn-Pfund-Note, zum Leidwesen des verdrängten Charles Dickens. Zu dieser Vergrößerung seiner Popularität und zur Verbreitung seiner Ideen trug die Entwicklung einer breiten Medienöffentlichkeit im 19. Jahrhundert wesentlich bei. Das kostengünstige Holzstichverfahren und die Stanhope-Druckerpresse revolutionierten den Medienmarkt und führten zur Gründung unzähliger Zeitungen, Verlage und Magazine, die großen Anklang fanden.
Darwins Theorie wurde in der Öffentlichkeit diskutiert, journalistisch besprochen und vielfach satirisch aufbereitet. Julia Voss räumt in ihrer Darstellung der Rezeptionsgeschichte mit dem Mythos des Wissenschaftsskandals durch das Formulieren der Evolutionstheorie gründlich auf. Zwar spalteten Darwins Erkenntnisse die Öffentlichkeit in Befürworter und Gegner, aber von einem Aufschrei seitens der Kirche oder breiter Bevölkerungsschichten kann keine Rede sein. Naturforschung und die Ergründung des Ursprungs des Lebens stießen auf großes Interesse und so wurden auch Darwins Theorien abwägend diskutiert und häufig humoristisch verhohnepipelt, wobei sich deren Schöpfer als äußerst beflissener Brief-korrespondent mit Wissenschaftskollegen, Zeitungen und sogar Hobbyforschern beteiligte und teilweise großen Humor bewies.
Zwar sprach Sigmund Freud von der Evolutionstheorie als „großer narzisstischer Kränkung in der Menschheitsgeschichte“, neben derjenigen durch die astronomische Revolution des Kopernikus und durch seine eigene Psychoanalyse und das daraus resultierende Menschenbild. Darwin wurde aber in alle wichtigen wissenschaftlichen Gesellschaften berufen und mit Ehrungen überhäuft, so dass Freuds Einschätzung, zumindest im Hinblick auf die realen Reaktionen des öffentlichen Lebens, als nachträgliche Mythenbildung anzusehen ist. Darüber hinaus fiel die Evolutionstheorie nicht vom Himmel bzw. Darwin genialisch in den Schoß. In „Origin of Species“ setzte sich Darwin selbst mit den Vorläufern seiner Theorie auseinander, zum einen aus wissenschaftlicher Redlichkeit, zum anderen reihte er sich bereitwillig in Forschungstraditionen ein, da ihm der Gestus des Revolutionärs selbst nicht besonders behagte.
Der Kern der darwinschen Evolutionstheorie besagt in Kurzform: Alle Organismen unterscheiden sich durch winzige Merkmale, die, falls erblich, zur Grundlage des Artenwandels werden können, – Merkmale, die zum Vorteil des Organismus gereichen, vergrößern dessen Chancen auf ein Überleben und eine Weitervererbung durch größeren Fortpflanzungserfolg. Mensch und Tier sind verwandt, da sie durch eine lange evolutionäre Kette auf gemeinsame Vorfahren zurückgehen. Dies unterschied die Erkenntnisse Charles Darwins von der seinerzeit populärsten Evolutionstheorie von Jean-Baptiste de Lamarck. Lamarck vertrat die Theorie einer Weiterentwicklung der Arten anhand erworbener Eigenschaften der Exemplare, die vererbt werden.
Den Ursprung verstand Lamarck als generatio spontanea, resultierend aus göttlicher Urzeugung, die Arten untereinander verstand Lamarck als konstant. Darwin fügte der lamarckistischen Vererbungstheorie die Prinzipien von Variation und Selektion zu. Aus dem Umstand, dass es sich in Darwins Theorie also wesentlich um bereits vererbte Eigenschaften bei Organismen handelt, die deren Überlebenschancen vergrößern oder nicht, resultierte der Topos des „Kampfes ums Überleben“, der letztlich zur neo-darwinistischen Interpretation seiner Lehre führte. An die Stelle von Lamarcks Perfektibilitätskonzept (die Idee einer fortwährenden immanenten Höherentwicklung) der Arten setzte Darwin deren Wandel durch fortwährende Anpassung.
Großen Einfluss auf Darwins Evolutionstheorie übte ebenfalls Charles Lyell aus. Der Geologe hatte die Theorie sich summierender kleiner Ursachen zu großen Wirkungen in der Erdgeschichte aufgestellt und unter der bis heute gültigen Lehre des „Aktualismus“ die Veränderungen der Erdoberfläche auf aktuell noch wirkende und beobachtbare Kräfte zurückgeführt. Den dritten wesentlichen Einfluss auf die darwinsche Evolutionstheorie stellte der Königsberger Professor für Naturgeschichte und Zoologie Karl Ernst von Baer dar. In seinen embryologischen Studien, die er in dem zweibändigen Werk „Über die Entwicklungsgeschichte der Thiere“ 1828 bis 1837 ausführte, begründete er die Ansicht, dass die Phylogenese (stammesgeschichtliche Entwicklung der Gesamtheit aller Lebewesen) die Ontogenese (Entwicklung des Einzelwesens von der befruchteten Eizelle zum erwachsenen Organismus) wiederhole, die sogenannte Rekapitulationstheorie. Aus diesen Theorien adaptierte Darwin, darin ein wahrer Meister, brauchbare und plausible Versatzstücke, die seine Beobachtungen stützten, und entwickelte seit 1837, also über 22 Jahre bis zum Erscheinen von „Origin of Species“, seine Theorie des Artenwandels durch Selektion und Variation.
Ein spannendes Kapitel der Biografie Charles Darwins und auch der Werkeinführung von Julia Voss stellt der „Wettlauf“ Darwins und Alfred Russel Wallace’ um die Veröffentlichung der Evolutionstheorie dar. Darwin hatte seit seiner fünfjährigen Weltumseglung mit der H.M.S. Beagle von 1831 bis 1836, zu der er nach seinem Theologiestudium eingeladen worden war, in London und nach dem Umzug mit seiner Frau anschließend in Kent an seinem Entwurf einer Evolutionstheorie gearbeitet. Sein Reisebericht über die Weltumseglung „Journal and Remarks“ (1839) und die Arbeit zu den Rankenfußkrebsen „A Monograph on the sub-class Cirripedia“ (1851-1855) festigten seinen Ruf als Koryphäe der Naturforschung und brachten ihm 1853 sogar die Royal Medal ein, die höchste Ehre für einen britischen Wissenschaftler.
Alle seine Arbeiten trugen jedoch den für ihn selbst greifbaren Makel, dass er die fehlende Trennschärfe zwischen Arten und Variationen zwar detailversessen nachweisen konnte, sich aber nicht getraute, diesem Umstand in einem neuen theoretischen Gerüst Rechnung zu tragen. Lange bereits fühlte er, dass die Perspektive auf Artenkonstanz nur immer größere Ungenauigkeiten hervorbrachte und dass in der scheinbaren Unordnung der Natur ihr wahrscheinliches Strukturprinzip zu sehen sei. Zu einer Publizierung seiner Ideen konnte er sich jedoch nicht entschließen.
Eine Briefsendung aus Ternate, einer Insel nahe Neu-Guineas, stimmte 1858 Darwin um. Alfred Russel Wallace, ein Handlungsreisender, der sein Geld mit dem Sammeln und Verkaufen von Präparaten verdiente, war der Absender. Charles Darwin hatte Wallace ein Jahr zuvor beauftragt, nach einer seltenen malaysischen Geflügelart Ausschau zu halten und ihm Präparate zuzuschicken. Stattdessen sendete ihm Wallace allerdings ein Exposé zu einer Evolutionstheorie, zu der sich Wallace aufgrund seiner Beobachtungen veranlasst sah, und bat Darwin es zu prüfen: Die Ideen von Alfred Russel Wallace glichen Darwins Entwürfen bis ins Detail. Darwin schrieb an seinen Kollegen Charles Lyell, er habe „noch nie einen verblüffenderen Zufall gesehen“, und bat ihn im Namen Wallace’, auch Lyell möge den Entwurf prüfen. Lyell teilte die Einschätzung Darwins bezüglich der Ähnlichkeit und riet wegen der hohen Güte der wissenschaftlichen Arbeit beider zu sofortiger Publikation.
Am 1. Juli 1858 wurden in der Sitzung der Linnean Society beider Evolutionstheorien in Abwesenheit verlesen, da Wallace in Asien weilte und Darwin erkrankt fehlte. Die vorgestellten Theorien wurden, womöglich wegen der Absenz derer Verfasser und des dichten Tagungsplans, jedoch kaum gewürdigt. Während Wallace danach weiterhin auf beständiges Reisen und das Sammeln von Exponaten angewiesen war, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, hatte der wohlhabende und institutionell abgesicherte Darwin Zeit und Muße, seine Erkenntnisse in Buchform zu publizieren. 1859 erschien „Origin of Species“ und wurde in der wissenschaftlichen Welt und sogar auf dem Buchmarkt ein gewaltiger Erfolg. Schon in den Anfangszeiten der sich entwickelnden Massenmedien war das „Survival of the Fittest“ wissenschaftshistorisch das „Survival of the Fastest“. Voss beschreibt in ihrer Einführung solch aufschlussreiche Episoden des Wissenschaftsbetriebs spannend wie einen Krimi und in einem informativen und sachlichen Ton.
Zu den Vorwürfen, Darwin sei Atheist, Rassist oder vertrete eine kalte, erbarmungslose Weltsicht, in welcher, im Sinne Hobbes’, ein Krieg aller gegen alle ums Überleben stattfinde, nimmt Julia Voss am Ende ihrer Einführung kritisch Stellung. Darwins Evolutionstheorie muss zur Beantwortung dieser Fragen auf ihren historischen Kontext bezogen werden. Charakteristisch für die Verklammerung von Theologie und Naturforschung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und die Betrachtung der Tier- und Pflanzenwelt war das „argument from design“, welches 1802 in William Paley einen einflussreichen Vertreter gefunden hatte, dessen „Natürliche Theologie“ auch auf Deutsch und Französisch erschienen war. Dieser Position zufolge, die sich sicher in einer Traditionslinie bis Descartes zurückverfolgen ließe, sei die unverkennbare und Maschinen ähnliche Zweckmäßigkeit der tierischen und pflanzlichen Organe auf ein intelligentes Schöpfungsdesign zurückzuführen, für welches letztlich Gott verantwortlich zeichne.
Demgegenüber war Darwins Anpassungslehre und sein Fokus auf das Ungeordnete und auch Unzureichende des Evolutionsprozesses, seine Theorie des gemeinsamen Ursprungs aller Arten natürlich „profan“, in einem Sinne freilich, der zur Etablierung des naturwissenschaftlichen Denkens und zur institutionalisierten Eigenständigkeit der Biologie als Wissenschaft beitrug. Darwin selbst kamen durch seine Studien Zweifel an einem Schöpfergott, allerdings blieb er mit der Religion Zeit seines Lebens in privatem Einklang und hielt sie für das Leben des Menschen und seine Sittlichkeit wohl für unerlässlich. Julia Voss präsentiert dazu sensibel interpretiert die Briefe der Ehefrau Darwins, Emma Darwin, geborene Wedgwood. Diese sorgte sich ob der gedanklichen Veränderungen und der zunehmenden Skepsis ihres Mannes hinsichtlich der Existenz Gottes und schrieb ihrem Mann dazu zwei Briefe, die er mit großer Dankbarkeit aufnahm und die die Eheleute einander noch näher brachten. Ein aufschlussreicher Blick hinter die Kulissen, der die aus der Rezeptionsgeschichte entstandenen Vorstellungen eines naturwissenschaftlichen Angriffs auf die Religion hanebüchen erscheinen lässt. Darwin hielt es mit der Religion im Sinne eines lebenspraktischen Kantianismus.
Als Rassist in seiner Forschung kann Darwin ebenfalls nicht bezeichnet werden. Er lehnte die Einteilung des Menschen nach rassischen Kriterien ab und glaubte nicht an eine evolutionäre Hierarchie der menschlichen Ethnien. Während beispielsweise in Deutschland Ernst Haeckel Studien über die evolutionäre Nachbarschaft zwischen Afrikanern und Gorillas veröffentlichte, verglich Darwin in „Der Ausdruck der Gemütsbewegungen bei dem Menschen und den Tieren“ lieber wohlhabende Engländer und deren Haustiere im Hinblick auf die Ähnlichkeit der gezeigten Emotionen. Vor arroganten kultur-imperialistischen Äußerungen gegenüber der Ur-Bevölkerung Feuerlands schreckte er jedoch – absolut typisch für seine Zeit – nicht zurück.
Zu guter Letzt ist die landläufige Vorstellung des „Darwinismus“ als Ideologie des Überlebenskampfes der Individuen gegeneinander zu korrigieren. Voss belegt überzeugend die Grundlegung dieser Fehlinterpretation der Evolutionstheorie gerade in Deutschland durch die sehr unglücklichen und nicht autorisierten (Autoren- und Urheberrechte waren im 19. Jahrhundert noch kein justiziables Thema) Übersetzungen von „Origin of Species“. Im Kern besagt Darwins Theorie nichts weiter, als dass die bestangepassten Organismen überleben, wozu auch kollektive Strategien von Solidarität und Fürsorge beitragen können. Die von Darwin verwendeten Begriffe im Themenbereich der Selektion wie „struggle“ oder „survival of the fittest“ wurden durch die deutschen Übersetzer mit „Kampf“ oder „Überleben des Stärkeren“ unglücklich oder mutwillig falsch wiedergegeben.
Als problematisch für die Darwin-Interpretation hat sich zudem dessen Übernahme der Sozialphilosophie von Thomas Malthus erwiesen, der ein stärkeres Wachstum der Bevölkerung als der Nahrungsmittelressourcen prognostizierte und daher die Idee eines Kampfes um Lebensgrundlagen auf den Menschen übertrug. Zwar adaptierte Darwin dieses Modell in Hinsicht auf die Notwendigkeit, kulturelle Überlebenstechniken entwickeln zu müssen, die Korrumpierbarkeit dieser Vorstellung liegt auf der Hand. Wie sich gezeigt hat, war die Prognose Malthus’ zudem falsch, die gegenwärtige Welt hat vielmehr das Problem ungleicher Verteilung. Heutigen biologistisch argumentierenden Rassisten oder den Allmachtsfantasien der Gen-Designer gegenüber hätte Darwin wohl auf die natürliche Variation und den Faktor Zufall als Prinzipien der Evolution verwiesen, die nicht als „gut“ oder „schlecht“ planbar ist.
Julia Voss ist eine sehr informative und spannend zu lesende Einführung in Leben und Werk Darwins gelungen. Den kritischen Horizont der Evolutionstheorie leuchtet sie überzeugend und plausibel aus, zudem weiß ihre Darstellung durch eine sinnvolle Gliederung zu gefallen, die Biografisches, die Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte der Evolutionstheorie berücksichtigt und in gebotener Präzision deren theoretischen Kern diskursiv offenlegt. Als Einstieg in ein Studium des berühmten Naturforschers kann „Charles Darwin zur Einführung“ nur empfohlen werden, aber auch als unterhaltsames Stück Wissenschaftsgeschichte ist sie sehr lesbar, gerade aufgrund der kulturkritischen Perspektive auf das umstrittene Erbe Darwins.
Literaturangaben:
VOSS, JULIA: Charles Darwin zur Einführung. Junius Verlag, Hamburg 2008. 217 S., 13,90 €.