Vom 12. bis 15. März öffnet die zweitgrößte Buchmesse Deutschlands.
Im Frühjahr bildet Leipzig traditionell das Zentrum des literarischen Lebens in Deutschland und darüber hinaus. Vom 12. bis 15. März öffnet die zweitgrößte Buchmesse Deutschlands ihre Tore für die Besucher. Trotz der weltweiten Finanzkrise blicken die Veranstalter optimistisch nach vorn. Es würden erneut 2.300 Aussteller in Leipzig erwartet, wie Wolfgang Marzin, Vorsitzender der Geschäftsführung der Leipziger Messe GmbH, mitteilte. Ungeachtet der schwierigen Wirtschaftslage ist also nicht mit einer Entwicklung wie in Europas Kulturhauptstadt Vilnius zu rechnen, wo reihenweise Veranstaltungen abgesagt wurden. Buchmesse-Chef Oliver Zille bedauerte, dass zwar einige Verlage ihre Ausstellungsfläche verringert oder sogar abgesagt hätten. „Bei anderen verbuchen wir aber gute Flächenzuwächse und auch ganz neue Aussteller melden sich zur Messe an“, sagte Zille im Dezember und prognostiziert mit 100.000 Besuchern einen ähnlichen Zuspruch wie 2008.
Das Programm der Leipziger Buchmesse richtet sich nicht nur an Fachbesucher, im Vordergrund steht die Begegnung der Öffentlichkeit mit der literarischen Vielfalt deutscher und internationaler Verlage. Begleitet wird die Buchmesse vom Literaturevent „Leipzig liest“, dem größten europäischen Lesefestival überhaupt, das in ca. 1.900 Veranstaltungen ganz Leipzig als Kulturstadt präsentiert. Den Standortvorteil nutzend, steht besonders die Literatur Osteuropas und der Balkanstaaten im Vordergrund. In Kooperation mit der Frankfurter Buchmesse richtet sich besonderes Augenmerk auch auf Gastland China. Nachwuchsförderung und Bildung sind weitere Schwerpunkte der Messe, medienträchtige Höhepunkte bilden die Verleihung des Preises der Leipziger Buchmesse und des Leipziger Buchpreises zur Europäischen Verständigung 2009.
Der Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung geht in diesem Jahr an den Berliner Historiker und Publizisten Karl Schlögel. Die mit 15.000 Euro dotierte Auszeichnung wird seit 1994 von der Stadt Leipzig, dem Freistaat Sachsen und dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels verliehen. Gewürdigt werden Persönlichkeiten, die sich als Buchautor um das gegenseitige Verständnis in Europa, vor allem aber mit den Ländern Mittel- und Osteuropas, verdient gemacht haben. Dies habe Schlögel „auf faszinierende Weise“ (Kulturamt Leipzig) mit seinem Sachbuch „Terror und Traum. Moskau 1937“ getan. Überreicht wird der Preis im Rahmen der feierlichen Messeeröffnung am 11. März.
Auch in diesem Jahr bilden die Balkanstaaten wieder einen programmatischen Schwerpunkt der Messe. Nach den positiven Erfahrungen der letzten zwei Jahre – 2007 stellte sich Sloweniens Literatur vor, 2008 folgte Kroatien – sind 2009 erstmals in größerem Rahmen auch Mazedonien und Bosnien-Herzegowina mit von der Partie. „Wir wollen die Region literarisch erschließen, weil dort spannende Entdeckungen zu machen sind“, sagte Buchmesse-Chef Oliver Zille im dpa-Gespräch. Einerseits würden die Kriegserfahrungen aus den 90er Jahren literarisch verarbeitet, andererseits würden die Autoren die Rolle ihrer Länder in Europa reflektieren. Der deutsche Buchmarkt gilt als weltweit größter Übersetzungsmarkt und als ein Sprungbrett in die Welt.
Der zweite Fokus liegt auf dem Reich der Mitte: „Das China-Jahr beginnt in Leipzig“, sagte Zille. Mit großer Spannung darf der Auftritt der Chinesen erwartet werden. Auf der einen Seite präsentiert sich eine der ältesten Schriftkulturen der Welt, die über eine ungemein wechselvolle Geschichte voller Wandlungen und Widersprüche verfügt. Aus europäischer Sicht stellt China gleichermaßen ein Faszinosum, aber auch immer noch ein großes Rätsel dar. Auf der anderen Seite sind wohl, zumindest auf europäischem Boden, sehr kontroverse Debatten zum Auftritt des Gastlandes zu erwarten, die möglicherweise an Schärfe die Diskussion um den Türkei-Auftritt auf der Frankfurter Buchmesse übertreffen. China belegt in der weltweiten Rangliste der Pressefreiheit Rang 167 – von insgesamt 173 Nationen. Kritische Schriftsteller werden häufig als kriminelle Dissidenten behandelt und müssen mit Verfolgung rechnen. Es bleibt zu hoffen, dass sich der chinesische Auftritt auf der Leipziger Messe nicht in bloßer Folklore erschöpft. Erinnern wir uns der chinesischen Lexik, die gerade ein Wort für Krise und Chance gleichermaßen kennt.
Die Chance auf den Gewinn des mit 45.000 Euro dotierten und zum fünften Mal ausgeschriebenen Preises der Leipziger Buchmesse haben 760 Autoren – das ist Rekord. Die zum Auftakt der Buchmesse verliehene Auszeichnung ehrt in den Kategorien Belletristik, Sachbuch/Essayistik und Übersetzung herausragende deutsche Neuerscheinungen. Der Preis wird von der Leipziger Messe mit Unterstützung der Stadt Leipzig und des Freistaates Sachsen sowie in Zusammenarbeit mit dem Literarischen Colloquium Berlin vergeben. Vor allem kleine und mittlere Verlage haben ihre Favoriten ins Rennen geschickt. Angesichts einer Menge angesehener Verlage und namhafter Autoren gab sich Juryvorsitzender und „Zeit“-Literaturchef Ulrich Greiner optimistisch, „dass wir auch 2009 eine Liste herausragender Werke gewinnen können“. Die 15 Titel umfassende Short-List wird im Februar bekanntgegeben, sodass über die Nachfolge der 2008 geehrten Clemens Meyer, Irina Liebmann und des Übersetzers Fritz Vogelgsang fleißig spekuliert werden darf.
Nachwuchsförderung steht auf der Prioritätenliste der Leipziger Buchmesse weit oben. So wird am 14. März der mit 1.000 Euro ausgeschriebene Nachwuchshörspielpreis 2009 im ARD-Hörspielforum verliehen. Der 6. Internationale Hörspielnachwuchswettbewerb des Hörspielsommer e.V. und der Leipziger Buchmesse widmet sich unter dem Motto „Demo-Tapes – Wie man’s dreht und wendet“ der friedlichen Revolution 1989. Außerdem werden im Rahmen des Manga-Talente-Wettbewerbs die besten Nachwuchszeichner in den Altersklassen bis 14 und ab 15 Jahre in den Kategorien Einzelbild und Geschichte gekürt. Charakteristisch für die Leipziger Buchmesse ist das einträchtige Nebeneinander von „jungen“ Kunstformen und altehrwürdigen Ausstellungen wie der Leipziger Antiquariatsmesse und der „buch + art“ allemal. Erstmals dürfen 2009 auch die jungen Leser selbst einen Preis vergeben, den „Internationalen Preis der jungen Leser“. Das Projekt geht auf die Initiative der Stiftung Lesen und der arvato AG in Kooperation mit der Leipziger Buchmesse, der Arbeitsgemeinschaft von Jugendbuchverlagen und den Bibliotheksverbänden zurück. Schulklassen konnten im Internet unter 19.000 von Fünft- und Sechsklässlern erarbeiteten Vorschlägen über ihre Lieblingsbücher abstimmen. Die Preisverleihung findet am 13. März statt.
Als eine weitere Möglichkeit zur Begeisterung junger Menschen für die Welt der Literatur und Bücher und als Investition in die Zukunft ist der neugeschaffene „Karrieretag Buch+Medien“ am Messe-Freitag (13. März 2009) anzusehen. Veranstalter sind die Leipziger Buchmesse und der Börsenverein des Deutschen Buchhandels. Führungskräfte aus Verlagen und Buchhandel stellen interessante Berufsbilder vor und stehen in Podiumsdiskussionen und Gesprächen zu Einstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten in der Buchbranche Rede und Antwort.
Die Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte steht im Mittelpunkt des Autorenspezials „1989-2009.“ Der Untertitel „Wohin treibt Europa?“ eröffnet die möglichen Zukunftshorizonte, die sich aus kritischer Aufarbeitung ergeben können. Die Buchmesse und das literarische Colloquium Berlin laden sieben Schriftsteller aus sieben Ländern dazu ein, in einem Vortrag Visionen, Utopien, Befürchtungen oder Hoffnungen zum Thema Europa zu beschreiben. Das Autorenspezial wird erneut unterstützt vom Auswärtigen Amt.
Unterdessen sieht es leider auf der Medienlandkarte, abgesehen von der florierenden alljährlichen Leipziger Buchmesse, schlecht aus um den Standort Leipzig und Ostdeutschland allgemein. Nach Angaben des Berliner Wissenschaftlers und Verlegers Christoph Links ist der Verlagsbranche in Ostdeutschland die Wiedervereinigung nicht gut bekommen. Von den 78 staatlichen DDR-Verlagen hätten knapp 20 Jahre nach dem Mauerfall nur zwölf überlebt, von den 6.100 Arbeitsplätzen seien 500 übriggeblieben. Von den 10,7 Milliarden Euro Umsatz der Buchbranche erwirtschafte der Osten nur 0,9 Prozent, Berlin eingerechnet 5,6 Prozent. „Die einst blühende Verlagsstadt Leipzig ist deutschlandweit auf Platz 16 abgerutscht. Sie hat nur noch vier Verlage mit mehr als 20 Mitarbeitern“, beklagte Christoph Links.
Es bleibt die Hoffnung, dass es infolge der Leipziger Buchmesse und des riesigen Lesefestivals „Leipzig liest“, bei dem sich auch in diesem Jahr der deutsche Buchmarkt und die Verlagslandschaft in ihrer ganzen Vielfalt und dem neuen Frühjahrprogramm präsentiert, zu einer langfristigen Konsolidierung und zu einem Blühen der ostdeutschen Kulturlandschaft komme. Die Besucher der Leipziger Buchmesse und des Lesefestes erwartet in jedem Fall eine bunte und spannende Mischung an Veranstaltungen, Ausstellern und Bildungsangeboten. In Leipzig ist in einer für Messen dieser Größenordnung ungewöhnlich familiären Atmosphäre für jeden etwas dabei.