Dieser Artikel beschreibt die Auseinandersetzung um die Berliner Literaten in der Preußischen Dichterakademie und Döblins Weg ins Exil.
Döblin wurde vielfach für sein epochales Meisterwerk Berlin Alexanderplatz als „Gossenliterat“ und Schöpfer von „Rinnsteinliteratur“ angeprangert, deutschnationale Medien riefen zum „Aufstand der Landschaft“ gegen Berlin und gegen seinen prominenten Fürsprecher Alfred Döblin auf. Mit seiner „Bilanz der Dichterakademie“ befeuerte Döblin die Debatte zusätzlich. Hintergrund war der Austritt der selbsternannten „Dichter“ Guido Erwin Kolbenheyer, Wilhelm Schäfer und Emil Strauß aus der Sektion für Dichtkunst der Preußischen Akademie der Künste im Jahre 1931. 1928 waren Alfred Döblin und Heinrich Mann gegen den Widerstand Kolbenheyers in die Akademie berufen worden und waren als linker Flügel und „Berliner Existenzen“ fortan für den deutschnationalen Kreis um Kolbenheyer ein Feindbild.
Dichterakademie: Pseudoliterarischer Widerstand gegen die Berliner Autoren
Der politische Grabenkampf wurde ausgetragen unter dem Deckmantel der Literaturästhetik. Die neue Sachlichkeit, die die Berliner Schriftsteller – die so genannten „Literaten“ – vertraten, stand der als „Dichtkunst“ apostrophierten Heimatkunstbewegung entgegen. Die Vorwürfe gegen Döblins Prosa richteten sich gegen die angeblich mangelnde Erhabenheit in Stil und Gegenstand, gegen fehlende Innerlichkeit und die seelenlose Oberflächlichkeit der Literatur. In seiner Bilanz resümierte Döblin: „Sah man sich diese überzeitlichen Herrschaften und ihre Produkte näher an, so erwies sich, dass sie altertümelnde Produkte als spezifische Ewigkeitswerte deklarierten, also das Jahr 1930 war hässliche prosaische Zeitlichkeit, das Jahr 1500 und 1200 dagegen bot dichterische Ewigkeit.“
Während die Berliner Autoren in Ihrem Streben nach zeitgemäßer Schriftstellerei mit neuen Formen experimentierten und sich den Themen der Zeit zuwandten, äußerten die Heimatkünstler anlässlich der Jahreshauptversammlungen massive Kritik an ihren Berliner Kollegen. Döblin kommentierte: „Es meldete sich an der Provinizialismus, Heimatkunst, Kunst der Scholle, des sehr platten Landes und redete aus orphischer Tiefe – uns an, protestierte gegen Berlin. Bei einigen verband sich dies mit wohlbekannten aggressiven Tönen, das zweite Wort war ‚deutsch’, ‚Volkstum’“.
Besonders das Wort vom „sehr platten Land“ gab Anlass zu wüsten Angriffen auf Döblin, der – gemeinsam mit „seinem“ Berlin – zum Symbol einer internationalen Kunst stilisiert wurde, die die Deutsche Kunst zu verdrängen drohte. Das heutige Mekka der Kreativen galt vor 90 Jahren als Totengräber von Innerlichkeit und künstlerischer Inspiration.
Kulturkonservative Vorboten des keimenden Faschismus
Der ästhetische Diskurs trug jene Züge des Konservatismus, die zum Nährboden für den keimenden Faschismus wurden. Als Verfechter der Republik sprach sich Döblin noch 1931 für eine klare Positionierung der Akademie aus: „Der Staat, der sich dieses Organ geschaffen hat, muss wissen, was er will, und die Institution muss ganz allgemein und prinzipiell gewillt sein, den Geist dieses Staates zu bilden helfen“. In der kulturpolitischen Frage um Berlin setzte sich Döblin für eine wehrhafte Demokratie und wenn nötig sogar eine Zensur ein. Die Gefahren waren nicht mehr zu übersehen.
Zwei Jahre später flüchtete Döblin mit seiner Familie nach dem Reichstagsbrand in die Schweiz. Der Beginn einer waghalsigen Odyssee auf der Flucht, die ihn durch Frankreich, und Spanien schließlich ins Exil in die USA führte. Seine Schriften wurden durch die Nationalsozialisten verbrannt. Erst 1947 kehrte Döblin auf Einladung des „Schutzverbandes Deutscher Autoren“ nach Berlin zurück und mahnte zur demokratischen Erneuerung. 1953 verließ Alfred Döblin, verbittert über die politische Entwicklung, Deutschland endgültig gen Paris. Von Theodor Heuss verabschiedete er sich mit den Worten „Ich bin in diesem Lande überflüssig“.