Frank Schäfer hat der Reihe „111 Gründe … zu lieben“ aus dem Verlag Schwarzkopf & Schwarzkopf den Band zu Heavy Metal hinzugefügt.
Der Verlag, dessen Schwerpunkt auf Musikbiographien und -bildbänden liegt, hat 2011 dankenswerter Weise Schäfers Heavy Metal – Kompendium in neuer und stark erweiterter Ausgabe verlegt. 33 zusätzliche Gründe bereichern diese Edition und am Ende der Lektüre wartet auch noch ein sehr persönlicher Hidden-Track auf den Leser – das letzte Wort des Verfassers ist ein gut gelauntes „HELLeluja“. So soll es sein.
Literarisches Metal-Medley (nicht nur) für Fachleute des Genres
Eine Feststellung, die natürlicherweise nicht selbstverständlich ist, da der Kenner der Materie ungleich schwerer zu beeindrucken ist, sei der Besprechung vorangeschickt: Freunden des Genres ist die Lektüre von Frank Schäfers aphoristischer Tour de Force durch die Welt der Anekdoten, Geschichten und Werkhistorie des Heavy Metal in aller Dringlichkeit zu empfehlen. Jedoch beileibe nicht ausschließlich der einschlägigen Klientel. Schäfer, selbst lange Zeit als Musiker in Heavy Metal Bands aktiv, promovierter Literaturwissenschaftler und Musikjournalist, schreibt als ausgewiesener Liebhaber des Genres und Kenner in Theorie und Praxis in einer wohltuend jovialen Weise über seinen Gegenstand. Mit gebotener Ironie entgeht der Autor der Gefahr in seiner Expertise den Spaß an der Sache, auch seitens des Lesers, zu vergessen, lässt es aber an couragiertem Eintreten für die in konservativen Kreisen beargwöhnte Musik nie mangeln. Hier wird keine Nabelschau betrieben, Schäfer blickt stets über den Tellerrand der eigenen Szene hinaus.
In diesem Umstand ist einer der Gründe, die dieses Buch auch für genreferne Leser äußerst lesenswert macht, bereits identifiziert. Frank Schäfer betrachtet Heavy Metal mit den Augen des Fachmanns, ist aber nie Fachidiot, sondern weiß die Legenden um die harten Jungs (und seltener, aber durchaus auch: Metal-Mädels) stets in popkulturelle Kontexte einzuordnen und erzählt im amüsanten und kenntnisreichen Plauderton seine Geschichten von Mainstream und Underground, Kunst und Kommerz mit viel Spaß an der großen Show und Geste, die dem Metal jäh zu eigen war. Die Sprache, die er findet, beeindruckt durch Varientenreichtum, die Fähigkeit vom Analysemodus in wohltemperiertes Gefeixe zu wechseln gleichermaßen, wie durch Klarheit und gutes Gefühl für Narrativik.
Liebeserklärung(en) in vielfältigen Facetten
WIe hat man sich die Lektüre dieses große Plädoyer für den Heavy Metal, für die Freude an kultivierter Reflexion des geliebten symbolischen (Un-)Wesens vorzustellen? Autor Schäfer schickt der Sammlung eine Gebrauchsanweisung voraus, in welcher er zu einer sehr angemessenen Einschätzung kommt, wenn er seine Referenz den wenigen systematischen Darstellungen des Genres erweist, die er mit vorliegender aphoristischer Sammlung keinesfalls zu ersetzen trachtet. Vielmehr lädt er ein zur „wilden Lektüre“, zur Ergänzung des Kenntnisstandes und ist sich zurecht nicht zu schade, den einen oder anderen gelungenen Witz voranzukündigen. Auch die Hoffnung auf Nutzung als Nachschlagewerk ist keineswegs vermessen.
Der Ritt durch den Heavy Metal wird in neun Kapiteln dargeboten, die die „Geschichte“ des Genres durchstreifen, sich deren „Fans“, der „Musik“, der „Theorie“ und „Kultur“ des Metal widmen, sowie in dessen „Stile“und „Welt“ ein- und entführen. Das achte Kapitel verzeichnet, zur Freude aller Jäger und Sammler der kleinen Schätze am Rande des Geschehens, „Listen“, die letzte Etappe verzeichnet die ebenso lesenswerten „Bonustracks“. Die Kapitel untergliedern sich in eben jene Gründe Heavy Metal zu lieben. Wer nun einen schlichten Argumentationsmarathon befürchtet liegt gründlich daneben. Frak Schäfer gelingt es mit spielerischer Sicherheit, seine Freude am Objekt dem Leser mitzuteilen. Anekdotisches – mit großer Freude an der Selbstironie unternimmt er Ausflüge in das eigene Musikerleben und transportiert so nebenher den integrativen DIY-Gedanken jeder Subkultur – mischt sich mit Geschichten von den großen Bühnen, (kultur-)historischen Überblicksdarstellungen und musiktheoretischen Erörterungen. Das Ganze liest sich hochinformativ, unterhaltsam und nicht selten sehr lustig.
Als Rezensent kann ich „111 Gründe Heavy Metal zu lieben“ jedem Freund einer gepflegten und selbstironischen Fachsimpelei dringend empfehlen. Hinter den eigenen Kenntisstand lässt sich nicht zurücktreten – diese Erkenntnis aus der hermeneutischen Mottenkiste wohl bedenkend muss manches an Genrewissen und Geneigtheit bei der Lektüre meinerseits zugestanden werden. Frank Schäfer, diese sympathisch plaudernde Enzyklopädie des Metal, jedoch hat mir souverän das Wasser gereicht. Aus diesem Wissen beziehe ich frohen Mutes die Zuversicht, diesen Titel auch dem unbewanderten Leser anempfehlen zu dürfen. Die Lektüre lehrt stets Neues, ohne je belehrend zu sein, erfreut den Intellekt und weckt neben der Neugier auf das Gebiet viel augenzwinkernde Sympathie für die böse Seite des Rock. Am Ende wollen sie, und was sollte hier ein „nur“ schon heißen, eben das, was alle Kultur will: Spielen. Frank Schäfers literarischer Gig samt Zugabe ist das Eintrittsgeld absolut wert, dieses Buch rockt!
Bibliographische Angaben
Frank Schäfer: 111 Gründe Heavy Metal zu lieben (Schwarzkopf & Schwarzkopf), Berlin 2011. 304 S., 14,95€. ISBN: 978-3-86265-076-7