Der Berliner Verlag periplaneta widmet sich in der Edition Mundwerk der Herausgabe junger Autoren mit Nähe zur Lesebühnenszene. Im Frühjahr 2011 ist das Roman-Debüt von Claudius Pläging erschienen. „Häkchen-Harakiri. Die To-Do-Liste des Konrad Roth“ ist eine sehr amüsante Erzählung im Stile einer Screwball-Komödie.
Befriedigendes Selbstmanagement: Der richtige (Um-)Weg zum Glück
Dass Claudius Pläging, in beinahe jugendlichen Jahren als Preisträger des Jungen Literaturforums Hessen/Thüringen ausgezeichnet, seine Brötchen als Autor für Comedy- und Unterhaltungsshows verdient, ist seinem Debüt durchaus anzumerken. Allerdings macht sich dieser Umstand im vorliegendem Fall keinesfalls negativ bemerkbar; im Gegenteil ist der Erzählung eine plastische Imagination mit viel Gespür für Tempo und situative Komik eigen. Im Mittelpunkt der Geschichte, die allzeit filmisch vor dem inneren Auge des Lesers vorbeizieht, steht mit Konrad Roth ein junger und uninspirierter Vertreter der Spezies langweiliger Spießbürger. In beruflichen und privaten Dingen hat sich der Protagonist mit seinem Leben, seiner Beziehung zu Henriette und dem Job als Pressetexter für einen Gartenbedarfshersteller, arrangiert, ohne freilich als wesentlicher Akteur seiner Verhältnisse aufzutreten. Bezeichnend ist das vorgebliche Arbeiten an einem Roman, welche Ausrede Konrad regelmäßig bemüht um sich vor der Freundin ins eigene Zimmer flüchten zu können. Ohne jeden Ehrgeiz und echte Interessen dümpelt Konrad Roth vor sich hin, bis er seiner auf bloße Affirmation ausgerichteten Selbstbezüglichkeit in Form kompromittierender Handbewegungen Ausdruck verleiht.
Unfähig und unwillig seinem Leben und der ermüdeten Beziehung zu Henriette eine neue Richtung zu geben bedarf es eines Impulses von außen, um den Stein der Handlung ins Rollen zu bringen. Dieser Moment ist gekommen, als Henriette ihren Freund Konrad beim Masturbieren im gemeinsamen Wohnzimmer erwischt und umgehend die Beziehung beendet. Für den antriebslosen Konrad ist die neugewonnene Freiheit unerträglicher als die Einsamkeit. Ohne einen Begriff von positiver Selbstbestimmung beschließt Konrad seinem Leben eine Wende zu geben und sagt endlich „Nein“: Er schmeißt den Job und macht, in Ermangelung zu mobilisierender Ressourcen, die eigenen Neurosen zum Angriffsziel seines emanzipatorischen Selbstmanagements. Konrad Roth erstellt eine To-Do-Liste, die alle Dinge enthält, die er unbedingt niemals tuen wollte. Auch in seiner Persönlichkeitsentwicklung geht er den Weg von Selbstbestrafung und Selbstmitleid und zwingt sich beispielsweise in einer WG einzumieten oder im Supermarkt zu klauen. In Konsequenz dieser büßerischen Don-Quichotterien gerät der Protagonist in Situationen aufs Herrlichste fehlschlagender Sozialisierung, in denen er sich mit biederer Pflichtschuldigkeit in delinquentes Verhalten flüchtet. Ein erneuter glücklicher Zufall kommt dem schwer angeschlagenen Schattenboxer schließlich zu Hilfe – und führt zur ungeplanten Vollendung der To-Do-Liste des Konrad Roth.
Das Ganze scheint weniger als die Summe der Teile: Persiflage eines Entwicklungsromans
Claudius Plägings Erzählung „Häkchen-Harakiri“ stellt eine sehr amüsante und originelle Lektüre dar. Mit klarer und unprätentiöser Sprache führt Pläging den Leser durch eine solide komponierte Geschichte, die vor allem durch ihren Witz und einen intelligenten Willen zum politisch Unkorrekten gefällt. In Sachen Tempo und wortspielerischer Verve hat Pläging ein sehr überzeugendes Debüt vorgelegt, das sich als intelligente literarische Screwball-Komödie liest. Der Plot der Geschichte stellt eine feixende Persiflage des Entwicklungsromans klassicher Ausprägung dar. Unter dem Strich reiht sich“Häkchen-Harakiri“ in die große Reihe gegenwärtiger Coming-of-Age-Geschichten ein, die ihre Protagonisten einem Ensemble gleichberechtigter Möglichkeiten aussetzen und die Handlung über Impulse ex Machina organisieren. Im vorliegenden Fall geschieht dies absolut gelungen und mit einer unverschämten bis subversiven Moral: Was man tut bleibt gegenüber einem sinnlosen Ganzen ohnehin gleich, aber etwas zu tun kann zumindest eins nicht, nämlich schaden. Und gelegentlich kann es sehr gut unterhalten.