Am 22. Mai 2010 findet im Madrider Estadio Santiago Bernabeu das Finale der Champions League 2009/2010 statt. Ein Ausblick vor dem sportlichen Festakt.
Am 22. Mai 2010 wird im legendären Estadio Santiago Bernabeu die Krone des europäischen Fußballs verliehen. Zum Leidwesen der madrilenischen Fußballanhänger sind die vermeintlichen „Galacticos“, das Star-Ensemble von Real Madrid um den egomanischen Dribbelkünstler Cristiano Ronaldo, einzig als Zuschauer in der eigenen Heimstätte geladen. Verantwortlich für diese Majestätsbeleidigung sind die ihrerseits im Halbfinale gescheiterten, vergleichsweise „säkularen“ Kicker von Olympique Lyon, die zum Stolperstein im Achtelfinale geworden waren. So wird der bedeutenste Titel des kontinentalen Fußballs ausgespielt zwischen dem italienischen Doublegewinner Internazionale Milano und dem frisch gebackenen deutschen Doppeltriumphator FC Bayern München.
Die Bayern vor dem finalen Akt des europäischen Fußballs
Dem deutschen Rekordmeister und -pokalsieger Bayern München bietet sich in Madrid die Gelegenheit zum fünften Triumph im wichtigsten Wettbewerb des europäischen Klubfußballs. In den Jahren der goldenen Generation um Franz Beckenbauer wurde der Titel im „Europapokal der Landesmeister“ von 1974 bis 1976 gleich dreimal in Folge eingefahren. Die Champions League, als dessen Nachfolgewettbewerb, wurde zuletzt 2001 gewonnen. Held im Elfmeterschießen im Mailänder Giuseppe Meazza Stadion gegen den FC Valencia war Torwart-Titan Oliver Kahn, der den siebten Elfmeter des unglücklichen argentinischen Eisenfußes Mauricio Pellegrino parierte.
Ein Triumph heuer in Madrid wäre der siebte europäische Titel insgesamt: 1967 wurde der Europapokal der Pokalsieger gewonnen, 1996 der UEFA-Cup. Der zweimal errungene Weltpokal, ausgespielt im Vergleich mit dem Sieger der südamerikanischen Copa Libertadores, aus den Jahren 1976 und 2001komplettiert den Briefkopf des FC Bayern. Nach dem überragend herausgespielten Sieg im Finale des DFB-Pokal über den SV Werder Bremen herrscht bei den Münchnern großer Optimismus vor. Nach dem 4:0-Triumph verkündete Bayern-Boss Rummenigge: „Ich glaube, dass diese Mannschaft diese historische Chance packt.“ Und historisch wäre das Geleistete im Falle des Sieges allemal: Das Triple aus den beiden nationalen Titeln und dem Europapokal ist einer deutschen Mannschaft nie zuvor gelungen!
Gutes Schriftbild: van Gaals Handschrift im Bayern-Spiel
Nach den überzeugenden Vorstellungen der letzten Wochen ist das Selbstvertrauen der Bayern groß. „Diese Mannschaft hat eine Leidenschaft, einen Willen und einen Kampfgeist, wie wir sie noch nie hatten“, geriet Rummenigge unlängst ins Schwärmen. „General“ Louis van Gaal, dem die letzten Wochen Gelegenheit gaben, seine unerkannten Talente als „Feierbiest“ zu offenbaren, hat aus den holprig in die Saison gestarteten Bayern längst ein funktionierendes und mitunter begeisterndes Spitzenteam geformt. Die Handschrift des Niederländers ist unverkennbar. Ein Maximum an Ballbesitz mit rascher Zirkulation und überfallartigen Attacken über die französisch-niederländische Flügelzange Ribery-Robben prägen das Münchner Spiel. Fraglich ist, wer im Finale für den endgültig gesperrten (CAS-Urteil vom 17.5.) Franzosen Ribery auflaufen wird. Im Halbfinale gegen Lyon wurde er von Hamit Altintop überraschend stark auf ungewohnter Position ersetzt. Den offensiven Außen halten die stabilen Holger Badstuber und Philipp Lahm den Rücken frei, wobei insbesondere der in dieser Saison nach rechts rotierte Lahm zunehmend auch das Angriffsspiel belebt.
In der Innenverteidigung vor dem Ruhe und Sachlichkeit ausstrahlenden Schlussmann Hans-Jörg Butt stehen mit dem belgischen Gebirge Daniel van Buyten und dem argentinischen Internationalen Martin Demichelis zwei vor allem im Luftkampf starke Routiniers. Anfällig ist die Münchner Hintermannschaft einzig bei schnell vorgetragenen und steil gespielten Kontern. Insbesondere der zu Leichtsinnigkeiten neigende Demichelis ist auch im Aufbau bisweilen ein Sicherheitsrisiko. Vor diesen beiden räumen mit enormer Übersicht, mit der nötigen Robustheit und Dynamik Leitwolf Mark van Bommel und der überragend und konstant aufspielende Sebastian Schweinsteiger ab. Die Mittelfeldzentrale muss neben der vielgerühmten Flügelzange als das Prunkstück der Münchner angesehen werden. Im Angriff setzt van Gaal auf die lauf- und spielstarken Ivica Olic und Thomas Müller. Das kilometerfressende Kämpferherz Olic und Senkrechtstarter Müller lassen sich immer wieder fallen und rochieren auf die Flügel. Auf diese Weise sind die Bayern sehr schwer auszurechnen und verteilen die „Last“ des Toreschießens, wie im DFB-Pokalfinale eindrucksvoll gesehen, auf vielen Schultern. Leidtragende sind die zum regelmäßigen Zuschauen verurteilten Nationalspieler Miro Klose und Mario Gomez.
Gegner Inter Mailand: Mourinhos modernes Cattenaccio
Im Finale wartet auf die Münchner ein alter Bekannter: Der portugiesische Exzentriker Jose Mourinho auf der Trainerbank der Nerazzurri hatte einst beim FC Barcelona unter dem Trainer Louis van Gaal erste Meriten als Co-Trainer erworben. Man kennt und schätzt sich und so herrscht vor dem Endspiel gegenseitiger Respekt vor. Und in der Tat ist Inter Mailand als sehr unbequemer Gegner anzusehen. Nach den lange zurückliegenden Triumphen im Landesmeisterpokal 1964 und 1965 brennen die Italiener auf den dritten Triumph in der Königsdisziplin. Drei Triumphe im UEFA-Cup in den 1990er Jahren haben den Erfolgshunger des einzigen „ewigen“ Serie A-Vereins nicht stillen können. Aus diesem Grund verpflichtete man Trainer-Diva Jose Mourinho vom FC Chelsea. Mourinho hat dem aktuellen Serienmeister Italiens eine engmaschige Defensivtaktik verordnet, mit der man in der Vorschlussrunde die Offensivkünstler des FC Barcelona zur Verzweiflung trieb.
In der Abwehr setzt Mourinho auf erfahrene Haudegen. Chef der Defensive ist der brasilianische Ex-Münchner Lucio, dessen Offensivdrang von Taktikfuchs Mourinho gezügelt wurde. Neben ihm verteidigen der argentinische Veteran Walter Samuel oder der sympathische Marco Materazzi, der nicht nur bei Frankreichs Legende Zinedine Zidane beliebt ist. Auf den Außen sorgen Dauerbrenner Javier Zanetti und Brasiliens Offensivverteidiger Maicon für Ordnung und Impulse. Die Doppelsechs bekleiden Zweikampfkönig Esteban Cambiasso und zumeist Thiago Motta. Dieser wird, da im Finale gesperrt, wohl durch den ghanaischen Internationalen Sulley Muntari ersetzt. Die Angriffszüge werden zumeist schnell und mit Pässen in die Tiefe über den niederländischen Spielgestalter Wesley Sneijder vorgetragen, der auch selbst weiß, wo das Tor steht. Vor dem Holländer kommen mit dem moderat verrückten Jungstar Mario Ballotelli oder dem Mazedonier Goran Pandev, sowie dem pfeilschnellen und schussstarken Kameruner Samuel Eto’o blitzgefährliche Halbstürmer zum Einsatz, die in die Tiefe gehen und über die Flügel für Gefahr sorgen. Im Zentrum lauert der argentinische Torjäger Diego Milito (22 Saisontore in der Serie A, 4 in der Champions League).